Westerham, 3.01.2021
Lieber Achim,
deine Posts auf whatsapp beschäftigen mich sehr stark. Deshalb habe ich entschlossen, dir dazu ausführlich zu schreiben bzw. zu antworten. Ich hoffe du nimmst mir mein Ansinnen nicht übel und fühlst dich nicht persönlich angegriffen. Vielleicht ist es auch ein bischen frech, aber ich bin halt so ein Missionarstyp wie du :-)
Es gibt einige Themen, die ich anschneiden möchte:
Mir ist aufgefallen, schon in unserem ersten Gespräch in RO, dass dir die Verehrung Gottes mit einem bestimmten Namen und Form sehr wichtig ist und du sogar gewisse andere Verehrungsstile – so nenne ich es jetzt mal – sogar als sündhaft oder frevelhaft bezeichnest.
Ehrlich gesagt ist mir das mehrmals aufgestoßen und deine Überzeugungstaktik erreicht bei mir nur das Gegenteil. Ich schätze dich, bzw. fand dich interessant, weil du in deinem Leben scheinbar was zustande gebracht hast, was ich sehr schätze.
Ich finde es für mich sehr schwierig, wenn jemand sich auf Schriften beruft und dann Behauptungen aufstellt wie „der ist der wahre Gott“. Diese Behauptungen gibt es mindestens seit einigen Jahrtausenden von verschiedenen Religionen und Sekten. „Nur durch mich!“, sagen die Christen, „Der letzte Prophet,“ die Muslime usw.
Ich denke auch Dogmen machen Sinn zu einer bestimmten Zeit. So wie eine junge Pflanze besonders Schutz braucht und man sie einzäunt, so sehe ich es mit den Dogmen und Ritualen.
Ich habe kein Problem, wenn jemand sagt, dass Jesus oder Krishna der wahre Gott ist oder wenn jemand sagt, er glaube an ein Bewusstsein, jedoch nicht an eine Form als die letzte Wahrheit. Was mich interessiert, ist, findet dieser Glaube nicht nur im Kopf statt sondern wird er auch gelebt. Drückst du Krsihna in deinem Alltag aus. Reden schwingen können viele, aber die kleinen unsichtbaren Schritte im Leben....
Ich habe den Eindruck, dass manche Bewegungen wie ISKCON zu aller erst damit beschäftigt sind, andere von ihrem Glauben zu ÜBERzeugen. Ähnlich ging es mir bei deiner Veranstaltung in Au. ÜBERzeugen ist für mich subtile Gewalt. Denn du versuchst deine Zeugung jemand anders zu ÜBERzeugen. Und du stufst andere Sichtweisen herab. Ich denke da an Mansur e Haladsch – für mich einer der größten Bezeuger der göttlichen Wahrheit. Er wusste, dass er gekreuzigt werden würde für seine Geisteshaltung (An al Haq – ich bin die Wahrheit) und sogar als sie ihm die Beine und Hände abhackten rezitierte er fröhlich weiter! Das ist für mich gelebetes Zeugnis! Aber auch nur relativ, denn ich kenne Mansur e Haladsch ja nicht wirklich, er lebte vor langer Zeit.
Mein lieber Achim, ich suche die Einheit nicht die Trennung! „Dieser ist auf dem richtigen Weg, er praktiziert die reine Hingabe weil er an Krishna glaubt!“ Der ist unspirituell weil er Fleisch ist etc."
Das ist die eigentliche Frevelhaftigkeit, denn du beginnst zu urteilen und damit Gott zu spielen oder du betest blind irgendwelche Texte nach und wendest eine deiner theoretischen Landkarten aus deinem Kopf an – was sind schon 40 Jahre Erfahrung auf dem Weg ...ich weiß es nicht! Verwechsle nicht die Landkarte mit dem Land. Der Dampf aus dem Kochtopf reicht nicht, wir müssen die Suppe probieren. Stattdessen habe ich mehr Sympathie für das Sehen mit dem Herzen. Erkenne überall das Gute. Sei offen für Gottes Offenbarungen im Hier und Jetzt!
Vor 1 paar Tagen war ich zu Sylvester bei unseren Nachbarn eingeladen, für die ich mich sonst wenig interessiert hatte, weil sie ja "unspirituell" sind. Ich hatte nach langer Zeit etwas Alkohol getrunken aus reiner Höflichkeit und um keine Trennung aufzubauen. Er gab mir den Schnaps vom Herzen her. Was mir aber aufgefallen ist. Sie waren so fröhlich und die Kinder waren lieb und wir alle spielten zusammen ein lustiges Spiel. Ich habe Werte wie Liebe, Heiterkeit und Respekt gefühlt. Es war kein Groll zwischen den Menschen. Die größte Heuchlerei ist, wenn man versucht andere zu ÜBERzeugen, aber selbst nicht danach lebt, wie die ISKCON Mönche in Brindavan, die heimlich sich Sex einkaufen. Mir ist ein einfacher leibevoller Mensch lieber als alle diese Heuchler! Und nur Gott weiß, wer spirituell ist....
Die wahre Zeugung kann meines Erachtens aber immer nur in deinem eigenen Herzen passieren. Nämlich, wenn der Same der Liebe (=Krishna oder Allah oder Hl. Geist etc.) zu einem Keim des göttlichen Lebens werden und dann zu einem starken Baum des selbstlosen Daseins für andere wird.
Kurzum der Glaube, der in deinem Kopf nichts anderes als eine Anleitung (letzten Endes Maya) ist und nie die Wahrheit selbst, muss geatmet, getan, gefühlt werden.
Ich hatte den Eindruck, dass die Menschen, die zu euch kamen, immer kleiner wurden je mehr der Abend fortschritt. Du warst mir nicht unsympathisch und dein verehrter zweiter Blumenträger (Demut?) auch nicht, aber ich hätte mir bei einem Bhakti Abend, die Ekstase im Herzen, also das einfache ErLEBEN gewünscht und keine weiteren Kopfbilder. Es mag richtig sein, dass der Guru oder wie ihr sagt der Sadhu, auf dem ernsthaften spirituellen Weg unerlässlich sind, aber zum Satsang gehört für mich einzutauchen in die Wahrheit, so wie es Chaitanya vorgelebt hat. Ich habe nichts gegen Vorträge, jedoch was gegen Überzeugungsarbeit. Mir ist letzten Endes scheißegal an was du glaubst, mir sind die Werte dahinter wichtig. Wenn jemand durch ÜBER-zeugung handelt, dann kommt es nicht von innen.Was bringt es wenn du den ganzen tag predigst aber deine Familie schlecht behandelst. Wie Vivekananda - aus meiner Sicht ein großer Heiliger und das sehen ja die meisten Inder auch so - sagte: warum verehrst du Shiva in den tempeln, wenn an jeder Ecke ein hungernder shiva auf der Straße sitzt. Manava Seva - Madhava Seva!
Bhakti
Was ist Bhakti? Hingabe an Gott! so heißt es in den Schriften - denke ich. Wo ist Gott, wer ist Gott?
Ich behaupte und so wurde ich von meinen Gurus belehrt und so ist meine Erfahung: Gott ist überall und immer da! Gott ist in jedem Moment deines Lebens anwesend. La illaha illallah! Es gibt nicht außer Gott! Sieh mich in allen Wesen, sagt Krishna! Du hast also in jedem Moment die Möglichkeit dich hinzugeben. Bist du bereit in der Sylvesternacht nach Kroatien zu fahren, weil dort Menschen leiden oder ziehst du deine Bewuemlichkeit vor? Bist du bereit nachts aufzustehen und dem Kinde die Windel zu wechseln oder ist dir dein Schlaf wichtiger? Liegst du auf dem Sofa oder hilft deiner Frau beim Putzen? Hier kannst du deine Hingabe unter Beweis stellen.
ich war ab meinem 18. Lebensjahr bis zum 25. bei einem indischen Guru und "lebte" als Mönch. (reden wir nicht von meinen Gedanken). Ich habe jeden Tag medidiert, Sadhana usw. Danach kam ich zu Sai Freunden nach Paris. Sie behandelten mich wie einen Bruder und gaben mir alles. My house is your house! Wir verteilten Essen an Obdachlose, ich habe nie zuvor so eine Liebe gespürt wie in diesem Satsang und Seva!
Ich habe nichts gegen Pujas und Rituale, sie haben definitiv ihren Wert, vermute ich . Jedoch haben wir eine Aufgabe auf dieser Welt und wir müssen handeln und zwar jeden Moment (Gita)– lasst uns jeden Moment an Krishna denken, an den Krishna der in jedem und allen ist.
Bhakti bedeutet für mich persönlich auch in Gottes Namen zu versinken. Ich kenne keine Schriften, ich kenne keine Rituale, ich will nur ihn erfahren, mit ihm verschmelzen in den Bhajans und Kirtans. Mein Herz hört nicht auf zu weinen – der Damm der Herzen ist gebrochen, meine Sehnsucht nach ihm ist nicht zu stillen. Ich gehöre nur dir oh Krishna, ich bin völllig verrückt nach dir, deinen Namen zu wiederholen, macht mich trunken! Lass die viele Kopflastigkeit weg, Singe und tanze, fühle Gott, erhebt die leeren Gläser auf das Er sie mit seinem göttlichem Ambrosium fülle.
Lasst uns am Busen der göttlichen Mutter den Trank der Unsterblichkeit trinken! Ich vergesse mich selbst. Im Trunkenheitstzustand ist kein Platz für Gedanken wie Ich , mein, dein, es ist nur Tat! oder Er oder Sie
Einheit oder Sekte
Sektieren heißt trennen. Trennst du zwischen guten und bösen Menschen, zwischen Gläubigen und Ungläubigen? Hast du nicht gelernt, alle Menschen zu lieben und dass Gott in allen Menschen lebt? Also wie kannst du einen Menschen als nicht Gottes Kinde betrahten? Ich sehe mehr göttliche Eigenschaften mehr oder weniger manifestiert in diesem oder jedem Menschen.
Gott will dass du ein spontan liebendes Wesen wirst bzw erkennst dass du das bist. Und das soll nicht nur abstrakt sein, also im Studium so genannter heiliger Bücher, Pujas etc. sondern sie ihn überall in jedem Moment hast du Gelegenheit Ihm zu dienen in deinem Leben mit deinen Nächsten.
Der Verstand trennt, das Herz eint!
So oft habe ich so genannte Devotees gesehen, die es vorgezogen haben, zu meditieren oder beim Guru zu sitzen statt sich um ihre Kinder zu kümmern. Das ist in meinen Augen wahre Frevlerei und Heuchelei! (natürlich muss auch hier differenziert werden, ich möchte nicht urteilen) Die Kinder sitzen am Ballerspiel, sind alleine und man selbst genießt sein Leben. das ist meist Egoismus. Natürlich ist es gut beim Guru zu sein aber alles im richtigen Kointext.
Spiritualität oder nennen wir es Bhakti bedeutet mehr als nur vorm Altar zu sitzen, es bedeutet Achtsamkeit, zu wissen was jetzt in diesem Moment angesagt ist und Krishna in allem zu sehen,
Ich bin leider auch ein Frevler, eigensinnig und rede bzw. zu viel!
Ich habe jetzt meine Gedanken niedergeschrieben und dir werden sicher viele Gegenargumente einfallen, du wirst Schriften zitieren, alles gut und schön....wir könnten ewig so weitermachen aber ich bin mir auch sicher dass wir beide genügend andere Dinge zu tun haben. Es sind nur Worte und nicht die eigentliche Wirklichkeit Sathya, und ach kein Dharma oder Prema im besseren Sinne. Darum möchte ich in diesem Moment dir Licht senden und mit dir innerlich gemeinsam den Namen des Herrn reziitieren, denn im Geiste sind wir untrennbar eins! Davon bin ich überzeugt! :-)
Jay Hari Bol, lieber Achim. Möge der Wille des Herrn durch dich wirken.